Das Saint-Tropez der Schweiz
Die Schweiz verbindet man in der Regel mit hohen Kosten und Gebühren. Genau das hat mich bisher all die Jahre von einem Flug dorthin abgehalten. Doch es muss nicht immer überteuert sein. Mit ein bisschen Planung hatte ich einen relativ günstigen und einfachen Weg gefunden, einen Tagesausflug ins Nachbarland zu realisieren.
Wieder einmal ist Olaf mein Reisepartner am heutigen Tag. Schon kurz nach 08.00 Uhr starten wir mit Hannes‘ Sondergenehmigung in Ampfing (EDNA).
Die Luft ist noch relativ kühl und somit absolut ruhig. Wie auf Schienen geht es zuerst über die Stadt München. Bei der guten Sicht ein Traum!
Danach passieren wir den Starnberger und den Ammersee mit Kloster Andechs.
Der weitere Streckenverlauf führt uns quer durch das Allgäu.
Nach etwa 1:20 Flugzeit landen wir in Leutkirch (EDNL).
Ein sehr angenehmer Flugplatz. Das Allgäu duftet dort mit all seinen Facetten. Wir lassen uns nicht viel Zeit und tanken nochmal voll. Denn für 09.45 Uhr ist unser Flugplan in die Schweiz aktiv. Die Zollkontrolle hatte ich am Vorabend online auf der Website des Flugplatzes angemeldet (Gebühr 7€).
Nach dem Tanken gehen Olaf und ich in den Tower. Dort wird vom Flugleiter lediglich kontrolliert, ob der Personalausweis von uns mit den im Online-Formular angegebenen Daten übereinstimmt. Das war die Zollkontrolle. Natürlich könnte sich der Zoll jederzeit entschließen, zu einer wirklichen Kontrolle zum Flugplatz zu kommen. Doch häufig kommt das nicht vor.
Dann sitzen wir auch schon wieder in unserer Breezer und starten um kurz nach 09.45 Uhr auf Piste 24. Nach dem Start melde ich mich gleich bei Zürich Information an: „Zürich Information, D-MVBR, grüezi!“ Der freundliche Lotse grüßt zurück und gibt bekannt, dass unser Flugplan aktiv sei. Unsere Flugroute führt ohne Umwege nach St. Gallen-Altenrhein (LSZR). Auf Höhe Lindau fliegen wir auf den Bodensee hinaus.
Zur gleichen Zeit stelle ich Funkkontakt mit St. Gallen Tower her. Auch dort ist man freundlich und lässt uns über den Wegpunkt Echo in die CTR einfliegen. Ab Echo beginnt österreichischer Luftraum, welcher sich kurze Zeit später mit der CTR St. Gallen überlappt. So kommt es, dass sich innerhalb der CTR das österreichische Sperrgebiet LO-R18 befindet, welches immer aktiv ist und vom Boden bis FL55 reicht. Doch für den Anflug nach St. Gallen stellt dies kein Problem dar.
Ab Echo dürfen wir in den rechten Queranflug zur RWY 28 einfliegen. Der Airport liegt sehr schön mitten auf einer Halbinsel, die in den Bodensee hineinragt. Bis kurz vor die Schwelle reicht das österreichische Staatsgebiet. „D-MVBR, wind variable 4kts, cleared to land RWY 28!“
Gegen 10.17 Uhr berühren unsere Räder Schweizer Boden. Grüezi in der Schweiz! Wir dürfen für unseren kurzen Aufenthalt vor dem Tower parken. Im C-Büro erwarten uns drei aufreizende charmante Mädels, es geht lustig zu. Dokumente oder Ausweise müssen wir nicht vorlegen. Das gute am Flughafen St. Gallen-Altenrhein ist, dass der Zoll nicht extra angemeldet werden muss. Ein Flugplan reicht aus. An anderen Flugplätzen muss man den Zoll peinlichst genau anmelden, ansonsten werden empfindliche Strafen von 80 bis 100€ fällig. Und würde ein Zollbeamter tatsächlich einmal zu einer stichprobenartigen Kontrolle zum Flugplatz kommen, so müsste man diesen auch bezahlen (ca. 80€)! Nicht so in St. Gallen, wo der Zoll ein ständiges Büro hat.
Von den Mädels bekommt jeder von uns als Dankeschön für den Besuch eine Tafel Schweizer Schokolade geschenkt. Ich liebe Schweizer Schokolade!
Da die Wettervorhersage für den Nachmittag Schauer und Gewitter im Alpenraum vorhergesagt hat, wollen wir keine Zeit verlieren und gleich weiter. Über den Bergen liegen sowieso schon ein paar dunklere Quellwolken.
Ohne Flugplan starten wir um 10.50 Uhr auf RWY 28. Zunächst geradeaus an der Stadt Rorschach vorbei zum Wegpunkt Zulu.
Dort verlasse ich die Frequenz von St. Gallen Tower und melde mich wieder bei Zürich Information an: „Zürich Information, D-MVBR, good day!“ FIS: „D-MVBR, good day, pass your message!“ „D-MVBR, microlight Breezer, VFR from St. Gallen to Wangen-Lachen, present position just abeam waypoint Z, 3700ft, Squawk 7000.“ FIS: „D-MVBR, roger, what is your routing?“ „D-MVBR, direct route to Wangen-Lachen.“ FIS: „Roger, next report ‚Röcki‘“. Olaf und ich sehen uns an. Keiner von uns kennt den Wegpunkt Röcki. Ich schaue noch einmal in der Karte, doch kein Wegpunkt hat auch nur annähernd einen ähnlichen Namen: „Say again reporting point, we don’t find it in our map, D-MVBR!“ FIS: „No problem, don’t worry, I have you on the radar anyway. I will tell you when you pass!“ Sehr freundlich und hilfsbereit.
Nach dem Bodensee ist die Landschaft zunächst ziemlich flach, doch dann steigt das Gelände an und wird bergiger.
Als wir gerade über einen Bergsattel fliegen, nach welchem der große Zürichsee auftaucht, an dessen Ende wir auch die Stadt Zürich sehen können, habe ich schon so eine Vorahnung, dass es sich hierbei um den besagten Wegpunkt handeln könnte. Und wenige Sekunden später kommt die Bestätigung von der FIS: „D-MVBR, you are now overhead waypoint ‚Röcki‘!“ Nach einem Blick in die Karte löst sich das Rätsel dann vollständig. Es heißt nicht „Röcki“ sondern Ricken und damit ist der Rickenpass gemeint! Tja, Schweizer Dialekt ist nicht immer einfach zu verstehen…
Kurz nach dem Rickenpass melde ich mich bei der FIS ab und schalte auf die Frequenz von Wangen-Lachen (LSPV). Dort ist wie erwartet niemand am Funk. Wir melden blind unsere Positionen, die anderen Piloten hören mit. Über den Sektor Süd fliegen wir zunächst auf Minimumhöhe 3500ft auf den Flugplatz zu. Zuvor in St. Gallen hatten wir die Webcam des Platzes gecheckt und sahen, wie der Windsack und das Lande-T ausgerichtet war.
Ein Blick auf den Platz im Anflug bestätigt unsere Annahme, dass Piste 08 aktiv sei. Kurz vor dem Platz sinken wir auf die Platzrundenhöhe von 2500ft und drehen nach links in den Gegenanflug ein. Wir müssen Flaps 3 fahren, um genügend Sinkrate zu bekommen. Denn 3500ft sind bei einer Platzhöhe von 1335ft schon sehr hoch.
Der Queranflug fällt sehr kurz aus, es ist schon mehr eine 180°-Kurve. Der Endanflug ist ein wahrer Genuss. Über dem Wasser ist es absolut ruhig und in niedriger Höhe überfliegen wir kurz vor dem Aufsetzen edle Strandhäuser und Anwesen. Auch ein Baukran steht dort, da muss man schon etwas aufpassen, denn viele Meter liegen nicht zwischen Kran und Breezer. Direkt vor der Schwelle fliegt man noch einmal über Wasser. Die Anflugkarte warnt vor „Segelbooten im Anflug 08“. Das stimmt auch, denn würde gerade ein Boot mit Masten vorbeifahren, müsste man durchstarten, um nicht damit zu kollidieren.
Die Piste ist mit 500x18m nicht allzu lang, doch für unsere Breezer kein Problem. Nach dem Abbremsen melde ich blind unseren Backtrack auf der Bahn. Genau nach dem vorgegeben Parkschema parken wir auf dem Gras vor dem Restaurant und stellen den Motor ab. Nur etwa 35 Flugminuten waren es ab St. Gallen.
Olaf und ich gehen gleich ins Büro. Auch wenn dieses unter der Woche nicht besetzt ist, ist es offen. Denn hier macht man alles selbst. Zuerst fülle ich das Landekuvert mit unseren Daten aus, dann zahlt Olaf die Landegebühr von 20CHF (18€) am Kartenterminal und legt die Originalquittung ins Kuvert. Dieses werfen wir anschließend in den Briefkasten. Wie dieses Prozedere funktioniert, erfährt man beim Abhören der PPR-Bandansage am Telefon vor dem Flug. Das ist auch Voraussetzung, dass man kommen darf. Bevor wir das Büro wieder verlassen, befüllen wir am Computer noch die Lande- und Abflugseite, wo Infos zu den Piloten, Gästen, zum Fluggerät, An- und Abflugweg, Ziel etc. abgefragt werden. Dies ist für das BAZL, das Schweizer Bundesamt für Zivilluftverkehr.
Dann genießen wir unseren Aufenthalt im Restaurant Flugi direkt am Flugplatz.
Ich bestelle uns zwei Spezi (damit meine ich Cola-Mix). Zum Glück frage ich bei der Bedienung aber nochmal zur Sicherheit nach. Und das ist gut so, denn ein Spezi ist hier ein Bier! Nicht nur im Restaurant gibt es sprachliche Unterschiede. Auch am Flugplatz. So heißen z.B. in der Schweiz Platzrunden Voltenflüge…
Ein Pilot beschreibt den Flugplatz im SkyDemon als Saint Tropez der Schweiz. Damit hat er absolut Recht. Direkt neben den Flugzeugen ankern Jachten und Segelboote. Im Norden liegt der große Zürichsee wie ein Meer und im Süden ragen die hohen alpinen Berge in den Himmel. Eine traumhafte Kulisse!
Auf dem Wasser neben dem Flugplatz können Wasserflugzeuge landen und starten. Das wird sogar als eigener Flugplatz mit ICAO-Kennung (LSPW) im Register geführt.
Über den Bergen bilden sich immer mehr Wolken. Da wollen Olaf und ich nichts riskieren. So geben wir uns eine Stunde Zeit im Restaurant und berechnen die Zeit, wann wir wieder in St. Gallen abfliegen und in Leutkirch ankommen würden. Ich schicke das Online-Formular für die Zollabfertigung in Leutkirch und den Flugplan von St. Gallen ab. Etwas umständlich ist es ja schon. Mal eben zum Kaffeetrinken fliegt man daher eher nicht in die Schweiz.
Um 13.00 Uhr startet Olaf den Motor unserer Breezer, nachdem noch eine Gruppe Graugänse zwischen den abgestellten Flugzeugen hindurch marschiert ist.
Am genau festgelegten Run-up-Punkt machen wir den Magnetcheck. Vom Rollhalt aus könnte man fast in den See springen. Unsere Tragfläche wäre das Sprungbrett dazu…
Dann rollen wir nach Absendung einer Blindmeldung auf die Piste 08.
Zwischen 12.00 und 13.30 Uhr dürfen in Wangen-Lachen aufgrund Lärmschutz keine Starts auf Piste 26 erfolgen, doch der variable Wind spricht momentan sowieso für die 08. Ein letzter Check, wo sich die Gänse gerade befinden. Dann starten wir.
Wir fliegen wieder Direktkurs nach St. Gallen und teilen der FIS unsere Route über den Rickenpass mit. Es wird Zeit, dass wir aus den Alpen herauskommen. Denn die Wolken in den Bergen verdichten sich immer mehr. Kurz vor der Stadt St. Gallen teilt uns die FIS mit: „D-MVBR, you may switch now to St. Gallen Tower on 135,430, will open in 5min, good bye!“. Da fällt es mir wieder ein: ich habe bei der Planung für den Rückflug die Mittagspause von St. Gallen völlig vergessen! Von 12.00 bis 13.30 Uhr ist der Flughafen geschlossen, denn die Mittagspause ist in der Schweiz heilig. Da hört ja auch bekanntlich das Militär kurzzeitig zu kämpfen auf…
Doch wir haben Glück, denn es ist gerade 13.25 Uhr und bis zum Platz sind es noch ein paar Minuten. Der Tower ist auch in der heiligen Mittagspause erreichbar. Über Zulu werden wir in die Platzrunde zur 28 geschickt.
Kurz nach 13.30 Uhr setzen wir auf und parken vor dem Turm. Wieder hinein zu den drei netten Mädels und dann gleich wieder zum Flieger. Denn ich habe mit dem Flugplan knapp kalkuliert. Die EOBT läuft für 13.45 Uhr.
Kurz vor 14.00 Uhr starten wir auf der 28. Zunächst, wie auch am Morgen, geradeaus entlang des Seeufers. Dann biegen wir nach Norden ab und fliegen auf den riesigen Bodensee hinaus.
Am deutschen Ufer angekommen funke ich Zürich Information an, doch wir kommen nicht durch. Es ist kein Funkkontakt möglich. Dann also ohne FIS zurück nach Leutkirch.
Die Landung in Leutkirch haben wir mit 14.20 Uhr angegeben. Da es sich bei unserem Flug um einen Zollflug handelt, dürfen wir nicht vorher aufsetzen. Später landen ist allerdings kein Problem. Notfalls noch ein bisschen Zeit in der Luft vertrödeln. Da ich jedoch sehr knapp kalkuliert habe, kommen wir nicht vorher in Leutkirch an. Um 14.24 Uhr setzt Olaf auf der Piste 24 auf. Ein kurzes „wir sind zurück“ im Tower, dann ist der Zollflug erledigt.
Da das Wetter im Alpenvorland noch einigermaßen stabil ist, entschließen wir uns für einen kurzen Hüpfer zum privaten UL-Flugplatz Wildberg bei Lindau. Eigentlich sind wir gerade eben schon dran vorbeigeflogen, doch aufgrund der Zollsache war eine Landung dort nicht möglich. Ein kurzes Telefonat und wir dürfen kommen, der Platz wäre besetzt.
Nach nur gut 15 Flugminuten befinden wir uns schon im Direktanflug auf die Piste 21. Diese liegt eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft mit Kuhweiden und Bauernhäusern. Mit Hilfe unseres GPS und weil die Piste gerade frisch gemäht war, finden wir den Platz auf Anhieb. Die Piste ist gut 500m lang. Am Aufsetzpunkt seigt das Gelände zunächst an, sodass man nicht einmal bis zur Halbbahnmarkierung sehen kann. Dann fällt es bis zum Ende der Piste ab. Das garantiert eine spannende Landung.
Wir treffen auf sehr nette Leute dort. Ein hiesiger UL-Pilot flog früher bei der Luftwaffe den Starfighter und andere Jets, später dann bei Lufthansa. Ein Urgestein. Da sind interessante Geschichten obligatorisch.
Ein Blick ins Regenradar lässt uns aber bald wieder aufbrechen. Die ersten Gewitterschauer machen sich bereits auf den Weg von den Bergen ins Alpenvorland. Wir wollen nicht, dass uns eine Gewitterfront auf dem Rückweg nach Ampfing den Weg abschneidet. So starten wir kurz vor 16.00 Uhr mit etwas Rückenwind auf Piste 03 bergauf. Erst kurz vor der Hälfte der Bahn lösen sich die Räder vom Boden. Um den durch die Steigung der Piste zusätzlich erhöhten Anstellwinkel zu verringern, überfliegen wir das in der zweiten Hälfte abfallende Gelände flach in nur wenigen Metern. So bauen wir genügend Geschwindigkeit für den Steigflug auf. Genau am Ende der Piste erreichen wir die erforderlichen 110km/h und können wie gewohnt am Stick ziehen. Spannend! Aber genau das macht die UL-Fliegerei so interessant.
Nun haben wir kräftigen Rückenwind, der uns mit teilweise 210km/h über Grund zurück nach Osten bläst. Links von uns herrscht bestes heißes Sommerwetter mit blauem Himmel fast ohne Wolken.
Auf unserer rechten Seite sehen wir beeindruckende dunkle Gewitterwolken über den Bergen, die sich allerdings bereits ins Alpenvorland aufmachen.
Wir kommen ohne Probleme zurück nach Ampfing, bei dem Rückenwind in einer Rekordzeit von nur gut 60 Minuten!
Eine Stunde nach der Landung steht unsere Maschine wieder geputzt im Hangar. Zeitgleich erreicht das erste starke Gewitter den Flugplatz. Wir sind also gerade rechtzeitig zurückgekommen! Als Olaf und ich mit dem Auto in München ankommen, ist bereits das gesamte südliche Bayern voll mit Gewittern und direkt vor uns rollt eine gigantische Gewitterzelle auf uns zu. Ein fulminanter Abschluss einer tollen Tagestour!